Der Obsteiger Dorfchronist Hubert Stecher stellt Beiträge über unseren Heimatort Obsteig auf ObsteigAktuell für alle Interessierten ins Netz. |
Zweimal neue Glocken im 20. Jahrhundert.
31 Gefallene und Vermisste hatte Obsteig im 1. Weltkrieg zu beklagen, die Sterbeglocke musste also oft „mittrauern“ in diesen vier Jahren. Die Wirtschaft lag am Boden, dazu folgte in den Nachkriegsjahren eine nie dagewesene Geldentwertung. Trotzdem wurde bereits im August 1919 die Orgel mit neuen Pfeifen versehen und es klingt wie ein Märchen, dass es der Gemeinde mitten in der Zeit der akutesten Inflation gelang, 1923 zwei bedeutende Einweihungen zu feiern:
Am 26. August 1923 konnte der Abt von Stams, Prälat Stefan Mariacher, vier Glocken der Pfarrkirche und eine für die Kapelle Gschwent weihen, am 7. Oktober 1923 wurde vom ehemaligen Divisionspfarrer Kneringer das
Kriegerdenkmal (geschaffen von Leopold Seeber, Ibk.) gesegnet.
Die Glocken wurden von der Fa. Graßmayr, Wilten, gegossen. Das Geläute hatte ein Gesamtgewicht von 1100 kg, Patinnen waren Maria Gaßler, Barbara Gabl, Maria Rudig und Agnes Gaßler. Die größte (Ton gis) trug die Abbildungen des H. Josef und ein Herz Jesu-Bild, die nächste (Ton h) trug Maria und Anna, die Kriegerglocke (cis) wurde mit den hll. Florian und Martin geschmückt. Die kleinste, versehen mit Antonius und den Armen Seelen erklang im Ton e. Die aufgegossenen Sprüche lauteten damals:
Wie einst St. Josef aus des Lebens Fluten
so makellos zum Himmel schwang empor,
ging durch des Feuers sengend heiße Gluten
zu deinem Preis ich silberhell hervor.
Uns einst erflehe Mutter du
nach diesem Leben Himmelsruh.
Sooft meine Töne vom Turme erschallen
denkt betend an die, die für euch sind gefallen.
In Nöten, Krankheit und Gefahr
behüt Antonius uns immerdar.
Nicht einmal 20 Jahre lang sollte dieses Geläute der Bevölkerung von Obsteig erhalten bleiben. Als am 1. September 1939 das deutsche Schulschiff „Schleswig Holstein“ die ersten Schüsse auf die Westerplatte bei Danzig abfeuerte und aus dem Führerhauptquartier der Satz formuliert wurde „Seit 4.45 Uhr wird zurückgeschossen“, begann der Blitzkrieg mit Polen und der wahnwitzige „Führer“ (Hitler) stürzte die Welt in einen Krieg mit über 55 Millionen Toten und unüberschaubaren materiellen und kulturellen Schäden, den zweiten Weltkrieg.
Neun Gefallene und elf Vermisste hatte Obsteig zu beklagen. Der gigantische Aufwand an Kriegsmaterial musste irgendwie gedeckt werden, die Rüstungswerke hatten Hochkonjunktur.
So ist es kein Wunder, dass man wieder an die Kirchenglocken dachte und deren Metall für den Guss von Kanonen verwendete. Am 2. Februar 1942 musste man die noch neuen Glocken von Obsteig nach 19 Jahren wieder abnehmen (s.o.), sie wurden in Brixlegg für den Weitertransport zwischengelagert.
Zu oberst im Kirchturm blieb allein die Sterbglocke hängen.
Während des Krieges hatte Obsteig einen sehr rührigen Seelsorger, P. Alberich Gerards, der sowohl im Widum als auch in der Kirche manches erneuerte. Die Kirche wurde innen restauriert (Kunstmaler Ludwig Sturm aus Innsbruck), bekam neue Fenster mit den schönen Glasmalereien zum Thema „Leben des Hl. Josef“ (Fa. Zettler aus München) und eine neue Orgel von der Fa. Mayer aus Feldkirch. Das alles zur Kriegszeit. So ist es nicht verwunderlich, dass sich Pfarrer Gerards gleich nach dem Krieg auch um neue Glocken kümmerte.
Zuerst begab er sich nach Brixlegg um nachzusehen, ob von den Obsteiger Glocken noch etwas zu finden sei. Als dies fehlschlug, musste man sich um Metall zum Glockenguss kümmern, die Fa. Graßmayr – nach dem Krieg mit Aufträgen weit überlastet – konnte keines beisteuern. Schließlich gelang dem Pfarrer ein Handel: In Steinach konnte er gegen eine große Menge Holzkohle nun Kupfer eintauschen. Also wurde nach dem Krieg in Obsteig aus gespendetem Holz viel Kohle gebrannt, der Meiler oberhalb von Arzkasten rauchte wochenlang. Allein Anton Tanzer aus Holzleiten stellte 45 fm trockenes Holz zur Verfügung. Das Kohlenbrennen übernahm Josef Hendl aus Mötz, insgesamt 17 Familien brachten ihm abwechselnd das Essen an den Kohlplatz. 1100 kg reines Kupfer konnte so eingehandelt werden. Da aber in ganz Österreich kein Zinn zu bekommen war, wandte sich P. Gerards an jemanden in der Schweiz und erhielt 350 kg dieses Metalls. Bekanntlich braucht man ja Kupfer und Zinn für die Glockenbronze.
Nun konnten die zwei kleineren Glocken in Auftrag gegeben werden, obwohl ein Teil der Bevölkerung (wegen der unsicheren politischen Lage) noch skeptisch war.
Am 12.3.1948 wurden sie gegossen. Und da noch ca. 70 kg Glockenmetall übrig waren, wurden diese dem Weiler Holzleiten zur Verfügung gestellt. Diese Glocke entstand in der Pfingstwoche 1948. Aber schon bei einer Fastenpredigt 1948, also vor Ostern, teilte Pfarrer Gerards den erstaunten Kirchenbesuchern mit, er habe bereits zwei weitere Glocken für die Kirche bestellt. Er bat, man möge ihn nicht allein lassen und bei Haussammlungen dafür spenden. (Alles Weitere steht schon im 1. Teil.)
Wohl nie ist in der Dichtung das Entstehen und die enge Verbundenheit der Glocke mit dem Schicksal der Menschen herrlicher beschrieben worden, als im „Lied von der Glocke“ durch den deutschen Dichter Friedrich Schiller. Und der letzte Satz dieses Werkes drückt den Wunsch des Glockengießers und wohl aller Menschen deutlich aus :
„Freude dieser Stadt bedeute –
Friede sei dein erst Geläute !“
(Quellen: Tiroler Landesarchiv, Stiftsarchiv Stams, Pfarrarchiv Obsteig)
Die Glockenpaten im Jahr 1949 waren Erika Grutsch (nun verheiratete Neurauter) aus Thal, Josefa Hosp aus Holzleiten, Berta Jäger (nun verheiratete Kail) aus Gschwent und Alois Föger (Fasseler) aus Wald.
Pfarrer Alberich Gerards war von 1940 bis 1948 Pfarrer in Obsteig.