Chronik: Steine reden leider nicht

00 Kreisstein20xxStecher

 

Der Obsteiger Dorfchronist Hubert Stecher stellt Beiträge über unseren Heimatort Obsteig auf ObsteigAktuell für alle Interessierten ins Netz.


Steine reden leider nicht.

 

Irgendwann vor Jahrmillionen von unserer Erde geboren und an der Luft erkaltet, bilden sie Gebirge über oder unter Wasser, fallen herab, werden von den Elementen weitergeschoben oder liegen einfach so herum.

Ihre Härte ist sprichwörtlich. „In Stein gemeißelt“ sind nicht nur die Wehrpflicht (Darabos) und das Bankgeheimnis (Fekter), sondern allerlei anderes auch. Für Jahrtausende.
Das meiste in Stein Gemeißelte kann man entweder lesen oder als Kunstwerk betrachten, aber es gibt auch Steinernes, das man nur schwer oder vielleicht nie richtig zuordnen kann.


Thema Obsteig:

Um die letzte Jahrhundertwende erschien in einer Zeitschrift der Bericht, auf dem Grünberg befinde sich ein so genannter „Schalenstein“. Von einem Bekannten bin ich darauf hingewiesen worden.
Was sind Schalensteine? Es handelt sich hier um Felsplatten, in die vorzeitliche Menschen runde Grübchen gerieben haben, deren Anordnung uns meistens systemlos anmutet. Was sie bedeuten, haben Wissenschafter oftmals, aber ohne Erfolg,  zu deuten versucht. Der Südtiroler Autor Hanspaul Menara schreibt in seinem Buch „Südtiroler Urwege“ den treffenden Satz “Auf alle diese Fragen … gibt es nur die eine Antwort: Wir wissen es nicht.“  Und: „ Gerade die Tatsache, dass es in einer Zeit, in der alles erklärbar, alles machbar, alles nachweisbar erscheint, immer noch Rätsel gibt, denen unser ganzes Wissen und alle wissenschaftlichen Möglichkeiten machtlos gegenüber stehen, gerade dies macht die Schalensteine… so reizvoll.“
Erklärungsversuche tippen auf prähistorische kultische oder astronomische Gründe, aus denen die Schalen in den Stein gerieben wurden.

RutschsteinElvas Menara
In Elvas bei Brixen sah ich einen solchen Stein mit 380 Grübchen, der ist geneigt und sehr glatt. Auf ihm sind früher die Frauen auf dem Hosenboden heruntergerutscht, um Fruchtbarkeit zu erlangen. Ein ähnlicher Stein südlich von Bozen (in Castelfeder) heißt „Befruchtungsstein“, in der Schweiz tragen solche Rutschsteine den Namen „Kindlistein“.
Der Schalenstein am Grünberg ist schon stark verwittert und auf den ersten Blick kaum als solcher erkennbar

GruenbergStecher
(das Foto zeigt nur einen Teil). Es erhebt sich natürlich auch die Frage, sind die Gruben durch die  Laune einer Verwitterung entstanden ? Man müsste einen Fachmann zu Rate ziehen, aber in dieser Angelegenheit gibt es eben keinen. Siehe oben !
Sagen wir zumindest, er ist ein „Stein mit Schalen“.

Spätestens seit dem Vorjahr, als der Larchsteig eröffnet wurde,  ist der „Kreisstein“ am Aspig fast jedem bekannt.

Kreisstein20xxStecher
Genauso wie die Schalensteine, kann auch er uns nichts aus seiner Vergangenheit erzählen, außer dass er seit der letzten Eiszeit vor 12000 Jahren hier liegt, von Eismassen hierher transportiert. Seine kreisförmig eingehauene Rinne mit einem Punkt im Zentrum lässt bisher keine stichhaltige Erklärung zu. Das Loch für das Dengeleisen schon.
Kreisstein1986 1Stecher

Aber noch etwas regt zum Denken an. Der Stein liegt in der so genannten „Hofstatt“, einer Flur in der Gegend des Aspigs. „Hofstatt“ heißt „Hofstätte“, darüber gibt es nichts zu diskutieren. Und „Hof“ ist seit jeher eine (meist bäuerliche) Wirtschaftseinheit. Zwei Fragen: Wie kommt der Name dorthin, und hat der besagte Stein mit dieser Namensgebung einen Zusammenhang? Und: Aus Jux und Tollerei hat sich sicher niemand die Mühe gemacht, den Stein auf diese Weise zu bearbeiten. Welches Ziel verfolgte man damit, ein kulturelles oder einfach praktisches ? Was wollte man bezwecken ? Lassen wir das Grübeln, es führt zu nichts.
Der Stein fiel auch schon Archäologen auf, wie die „Fundberichte aus Österreich“ mitteilen.
Wörtlich: „ Fund eines Findlings mit eingepicktem Kreis und eingeschriebenem Zeichen in  —, Flur Aspick (Aspig).
Fundberichte aus Österreich 18 (1979), S. 525, Z 1061“.
Eine Nennung des Flurnamens „Hofstatt“ findet sich in den Urkunden des Stiftsarchivs Stams. Die Urkunde von 1674 bezieht sich auf die Rechte aus dem Lärchhof, die ein Hans Zoller an einem Viertel dieses Hofes hatte. Unter anderen Feldern hatte er „ ein Galtmahd, die Hofstatt genannt“ (StA. Stams, MXXVIII,Nr.4, 6.April 1674).
Von Seiten des Bürgermeisters, des Besitzers und des Chronisten wurde im Jahr 1986 versucht, den Stein und seine Umgebung unter öffentlichen Schutz stellen zu lassen, doch vergeblich.

Die Römer pflegten an ihren Straßen in bestimmten Abständen hohe  und  starke Steinsäulen aufzustellen, die den Reisenden zur Orientierung dienten. Eingemeißelt war meist die Zahl der Meilen bis zu bestimmten Orten oder der Abstand von den Toren Roms, vielfach auch eine Jahreszahl und der Name eines Kaisers oder Provinzoberen.
Man nennt sie „Meilensteine“, weil Wegstrecken in Meilen gemessen wurden. Eine solche Säule steht an der alten Bundesstraße westlich von Holzleiten, sie schaut ½  Meter aus der Böschung, hat einen Durchmesser RoemersteinHolzleiten 1Stecher

von etwa 40 cm  und ist schon stark abgewittert. Sie markiert die  Gemeinde- und Gerichtsgrenze. Der römische Kaiser Decius (249-251) ließ zwischen den beiden Ästen der Via Claudia (der eine über Scharnitz, der andere über Dormitz) eine Verbindungsstraße errichten, die höchst wahrscheinlich von Zirl über das Mieminger Plateau nach Dormitz führte. („Wahrscheinlich“ deshalb, weil es auch Stimmen gibt, die eher zu einem Verlauf der Straße durch das Gaistal nach Ehrwald tendieren würden.) Doch sowohl die Überlieferung durch Jahrhunderte, als auch namhafte Autoren (Hölzl, Stolz, Strolz…) lassen keinen Zweifel am Verlauf der Straße über das Mieminger Plateau. Man müsste sich auch fragen, welchen Zweck denn sonst der Meilenstein gehabt hätte. Zudem war im Winter und Frühling wegen der hohen Lawinengefahr an eine Durchquerung des Gaistals nicht zu denken.

Vom Stein ab bog die Straße früher links hinunter und führte durch ein steiles Tal direkt nach Rossbach (Rosstränke). In der Tirolkarte von Peter Anich (1766) ist sie noch so eingezeichnet. 
RoemersteinHolzleiten 2Stecher  

Da nur der oberste Teil des Steines aus der Böschung ragt, kann man weder seine genaue Höhe erkennen, noch etwas über eine Beschriftung aussagen. Dementsprechend vorsichtig drücken sich auch Archäologen und das Denkmalamt aus. Der ehemalige Leiter des Denkmalamtes, Dr. Heinrich Menardi, listet in seiner Aufzählung der 28 denkmalgeschützten (oder noch zu schützenden) Objekte Obsteigs auch den „wahrscheinlichen“ Meilenstein auf. Geplante Erdarbeiten bei der betroffenen Grundparzelle sind (wie bei anderen Objekten) sechs Wochen vor deren Beginn dem Denkmalamt bekannt zu geben.
In den „Fundberichten aus Österreich“ heißt es, obwohl am sichtbaren Teil keine Schrift erkennbar ist, dürfte es sich um einen römischen Meilenstein handeln.
Warum schafft man hier nicht Klarheit –  Einwilligungen des Grundbesitzers und des Denkmalamtes für notwendige Grabarbeiten vorausgesetzt?
Auch der Tourismus würde sich wahrscheinlich freuen.
Man sieht also: Es ist schwierig, Steine zum Reden zu bringen.